18.12.2025

EU kippt Verbrenner-Aus: Schweizer Autobranche sieht Signalwandel

Die EU rückt vom strikten Verbrenner-Aus ab und öffnet die Tür für längere Übergangsfristen. In der Schweiz sorgt der Entscheid für Zustimmung, aber auch für neue Fragen zur Zukunft der Mobilität.

EU kippt Verbrenner-Aus: Schweizer Autobranche sieht Signalwandel

von Isabelle Riederer

 

Die EU hat ihr geplantes Verbot für neue Verbrennungsmotoren abgeschwächt und setzt statt eines fixen Ausstiegsdatums auf mehr technologische Offenheit. In der Schweiz sorgt der Entscheid für gemischte Reaktionen aus der Autobranche.

 

Mit der Abkehr vom starren Verbrenner-Aus hat die EU einen industriepolitisch gewichtigen Schritt vollzogen. Statt ab 2035 nur noch Neuwagen ohne Emissionen zuzulassen, will Brüssel den Herstellern zusätzliche Spielräume geben – unter anderem durch längere Übergangsfristen und technologieoffenere Regelungen. Der Entscheid kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen europaweit deutlich langsamer wächst als erwartet.

 

Für die Schweizer Automobilbranche ist die Kehrtwende ein wichtiges Signal, aber kein unmittelbarer Gamechanger. Thomas Rücker, Direktor von auto-schweiz (Vereinigung der Schweizer Automobilimporteure), begrüsst den Entscheid ausdrücklich: «Wir begrüssen den Entscheid der EU-Kommission, der Automobilindustrie bei ihrer fundamentalen Transformation entgegenzukommen. Es war industriepolitisch falsch, bereits für 2035 Nullemissionen bei Neuwagen auszurufen.» Die EU gebe damit zu, dass Markt und Infrastruktur noch nicht bereit seien. Rücker fordert nun ein rasches Nachziehen der Schweizer Politik: «Statt Technologiezwang brauchen wir Rahmenbedingungen, die günstigen Strom, ausreichend Ladeinfrastruktur und Offenheit zur Entwicklung neuer Technologien ermöglichen.»

 

Für die Branche ändere sich dennoch kurzfristig wenig, betont er. «Nach heutigem Stand der Technik führt kein Weg an der Elektrifizierung des Strassenverkehrs vorbei. Es ist schlicht die effizienteste und sauberste Antriebsform.» Problematisch bleibe allerdings, dass Schweizer Importeure als einzige in Europa weiterhin mit millionenschweren CO₂-Sanktionszahlungen rechnen müssen.

 

Auch aus dem Handel kommt Zustimmung. Marc Eichenberger, Inhaber und Verwaltungsratspräsident von Kenny’s und Mercedes-Benz-Händler, sieht den Entscheid als pragmatischen Schritt: «Ich bin für Technologieoffenheit. Gerade die Hybridtechnologie wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Das aktuelle Signal der EU ist positiv, aber es bleibt eine Herausforderung. Wir wollen am Ende nämlich alle dasselbe, und das ist CO₂-Neutralität.»

 

Hubert Waeber, Garagist, Unternehmer und Verwaltungsratspräsident der ESA (Einkaufsorganisation des Schweizerischen Automobil- und Motorfahrzeuggewerbe), spricht von einem wichtigen Signal für die gesamte Branche: «Wir sind für Elektro-Autos, aber es braucht mehr Zeit und eine ausreichende Infrastruktur. Wir können nur das verkaufen, was die Kunden auch wollen.» Durch die gelockerte EU-Regelung hätten Kundinnen und Kunden nun wieder eine echte Wahl – von Plug-in-Hybriden über Voll-Hybride bis zu effizienten Verbrennern und vollelektrischen Modellen.

 

Auch die AMAG, einer der grössten Autoimporteure der Schweiz, sieht sich durch die Entscheidung bestätigt. Dino Graf, Pressesprecher der AMAG Group, betont die grundsätzliche Haltung des Unternehmens: «Die AMAG war und ist immer für Technologieoffenheit. Es braucht Ziele, keine Wege.» Die Entscheidung der EU passe zur Strategie der AMAG, stark in Elektromobilität und in klimaneutrale Zukunftstechnologien zu investieren. «Wir haben 2022 Helion übernommen, um unseren Kunden Komplettangebote für die Elektromobilität anzubieten. Und wir sind bei Synhelion investiert, weil es auch eine CO₂-freie Lösung für den Bestandesfuhrpark braucht.»

 

Während die EU mit ihrem Kurswechsel eine Debatte neu entfacht, bleibt für die Schweiz vor allem eines klar: Die Transformation des Strassenverkehrs ist im Gang – aber nicht linear. Und sie wird nur gelingen, wenn Markt, Infrastruktur und Politik gemeinsam nachziehen.

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